nabelbeschau
bei den piraten dreht sich grad wieder einmal die welt hauptsächlich um den eigenen nabel.
das forum und liquid feedback.
das eine (forum) nervt eigentlich nur noch.
eigentlich gedacht als kommunikations- und diskussionsmöglichkeit, wird es von einer handvoll „trollen“, die 90 % aller posts verfassen mit unnötigem zeug und persönlichen diffamierungen und beschimpfungen, zugespamt.
immer mehr aktive piraten ziehen sich ob dieses wildwuchses zurück.
dies wird aller voraussicht nach zu einem internen forum mit ausschliesslich akkreditierten usern führen.
auch gut – weil alles was nach dem jetztigen zustand kommt, kann nur besser sein!
viel spannender und auch relevanter für die politik allgemein ist das thema liquid democracy!
vordergründig steht da die entwicklung einiger piraten zum „delegationskaiser“.
daraus folgernd die frage, ob delegationen im sinne der demokratie überhaupt zulässig sind und wenn ja, wie damit umgegangen werden soll.
angestossen wurde diese diskussion von einer gruppe, die keine delegationen erhalten hat/erhält und sich von einer personengruppe mit viel delegationen überfahren fühlt und gegen diese entwicklung ankämpft.
das kummulieren von macht und machtmissbrauch steht im raum.
(wobei ich mich schon frag, wer von den piraten bisher auch nur annähernd in die nähe von macht gekommen ist?)
jetzt könnte man natürlich auf die idee kommen, dass neid und missgunst auf die vielen delegationen der hauptgrund für dieses misstrauen ist.
wenn ich mir jetzt anschau, warum delegationen vergeben werden, könnte dies diesen eindruck verstärken.
die hauptmotivationen seine stimme an eine bestimmte person werden wohl sympathie, kompetenz und vertrauen (oder eine mischkulanz unterschiedlicher gewichtung dieser attribute) sein.
die delegationen sind also in einer gewissen weise auch der ausdruck der sympathie bzw. des respekts der einem entgegengebracht wird.
im gegenzug bedeutet das „nichterhalten“ also konsequenterweise antipathie, inkompetenz und misstrauen.
zumindest kann ich mir vorstellen, dass sich jemand, der sich in ehrlichem bemühen in einem fachgebiet um lösungen bemüht, trotzdem keine delegationen erhält, aber sehen muss, dass jemand der nichts tut, einige stimmen auf sich vereint, als eben unsympathisch oder inkompetent wahrgenommen und ungerecht „behandelt“ fühlt (und auch, wenn das nur eine subjektive wahrnehmung ist, kann das zu problemen führen).
jetzt mag diese „nichtbeachtung“ bei dem einen oder anderen liquid- bzw. delegationsgegner zumindest im unterbewusstsein eine rolle spielen.
ganz allgemein glaube ich aber, dass dies als begründung für den derzeitigen konflikt der beiden gruppen zu kurz greift.
ich sehe sehr viel mehr einen grundsätzlichen konflikt, bzw. diskrepanz zwischen diesen gruppen.
wir leben derzeit in einer representativen demokratie.
mit all ihrer unvollkommenheit.
viele piraten meinen nun, dass die representative in eine von der „basis“ bestimmte demokratie verändert werden muss.
angesichts der zustände in unserer aktuellen politik ist dieser wunsch leicht nachzuvollziehen.
was heisst nun basisdemokratie in ihrer urform?
one man – one vote!
unsere altvorderen haben oft unter gefahr für leib und seele für dieses prinzip gekämpft.
und viele haben dafür auch mit ihrem leben bezahlt.
für das recht mit ihrer stimme unmittelbar die gestaltung der gesellschaft in ihrem sinne zu beeinflussen.
dieses prinzip ist also durchaus nachzuvollziehen und hatte auch seine berechtigung.
unsere gesellschaft hat sich aber seit der erkämpfung des stimmrechtes sehr verändert und verändert sich immer schneller.
sie ist komplexer und somit komplizierter geworden.
niemand ist in der lage alle themengebiete die sich in einer modernen gesellschaft auftun ausreichend sachlich zu beurteilen und dementsprechend seine stimme „sachlich“ zu verwenden.
oft stellt sich also die frage wie komm ich zu ausreichend wissen um bei einem thema „richtig“ abzustimmen.
geht eigentlich gar nicht.
und hier kommt die liquid democracy ins spiel.
ich kann meine stimme an eine person meines vertrauens delegieren und ihm/ihr die abstimmung in meinem namen in einer bestimmten causa, in einem fachgebiet oder überhaupt übertragen.
ich kann aber jederzeit mein stimmrecht auch wieder selbst ausüben oder die überantwortung meiner stimme von einer person auf eine andere ändern.
wir haben hier somit das missing link zwischen direkter und representativer demokratie.
das alles natürlich noch nicht absolut ausgereift und mit fehlentwicklungen.
work in progress.
learning by doing.
mit all den damit zusammenhängenden problemen!
soweit so gut.
in dem nun aufgebrochenen meinungsverschiedenheiten, die teilweise sehr emotionell geführt werden, wird die für mich grundsätzliche frage aber gar nicht gestellt.
was darf ICH mit MEINER stimme tun?
in der klassischen basisdemokratie kann ich damit nur selbst abstimmen.
oder sie verfallen lassen.
durch liquid feedback gewinne ich aber plötzlich sehr viel mehr möglichkeiten für meine stimme!
ich gewinne dadurch mehr freiheit.
ich gewinne mehr rechte.
ich kann meine stimme selbst verwenden
ich kann meine stimme verfallen lassen
ich kann meine stimme verleihen
ich kann meine stimme splitten
ich kann meine stimme herschenken
ich kann meine stimme zurückfordern
ich kann meine stimme nur punktuell einsetzen
ich kann meine stimme an einem mir angenehmen ort verwenden
ich kann meine stimme zu einem von mir gewünschten zeitpunkt verwenden
ich kann meine stimme …
es ist meine stimme.
ich kann damit tun, was ICH will.
und ich kann auch gar nichts tun, wenn ich das will.
für hard-core-basisdemokraten ist dies natürlich ein frevel.
aber es wird niemanden vorgeschrieben all das mit seiner stimme zu tun.
jeder kann seine stimme auch weiterhin im sinne der basisdemokratie verwenden.
aber ich will mir (auch nicht von „demokraten“) nicht vorschreiben lassen, was ich mit meiner stimme zu machen habe.
und ich will mich der vielen neuen möglichkeiten für mich und meine stimme nicht berauben lassen.
es ist meine stimme!
ich möchte damit machen können, was ich will!